389
Sachsen. Der Mittelpunkt seiner Stellung war Dresden,
wie einst im siebenjährigen Kriege für Friedrich den Großen.
Von da gedachte er sich auf Berlin, Breslau oder Prag zu
stürzen, sobald ihm seine Gegner eine Blöße geben würden,
worauf er sicher rechnete. Zuerst schickte er seinen Marschall
Oudinot auf die Straße nach Berlin vor, um die Hauptstadt
im raschen Zuge fortzunehmen. Schon war er bis Groß-
beeren, drei Stunden von Berlin, vorgedrungen; da griff
ihn (23. August) die Nordarmce an und schlug ihn völlig in
die Flucht. Gleich hierauf, am 26., schlug der alte Blücher
in Schlesien los. Hier ließ er ein französisches Heer unter
dem Marschall M a c d o n a l d ruhig über die Katzbach
setzen. Und nun, als er genug Feinde herüber gelockt hatte,
da hieß es „Vorwärts! Vorwärts!" und unter dem heftigsten
Sturme und Regen stürzten die Preußen bei Wahlstadt,
dort wo 1241 die blutige Mongolenschlacht geschlagen wurde,
mit umgewandten Gewehren mitten in den Feind und ver-
nichteten ihn fast gänzlich. Eine große Menge wurde jäh-
lings in den angeschwollenen Strom getrieben. Seit diesem
glorreichen Tage nannten die Soldaten ihren Blücher den
General Vorwärts, und der König erhob ihn später zum
Fürsten von Wahlstadt. — Nur das böhmische Heer,
gegen welches Napoleon selbst befehligte, erlitt an diesem und
dem folgenden Tage eine große Niederlage bei Dresden.
Diese Niederlage wurde noch schmerzlicher durch den Tod des
braven Moreau, welchem, als er eben an der Seite des Kai-
sers Alexander hielt, durch eine Kanonenkugel beide Beine
fortgerissen wurden. Man brachte ihn nach dem Städtchen
Laun in Böhmen, wo er wenige Tage nachher starb. In
wilder Hast verfolgte Vaud am me den abziehenden Feind
bis jenseits der böhmischen Grenze; aber bei Kulm und Nol-
le ndorf, unweit Töplitz in Böhmen, wurde er selbst am
30. August geschlagen und gefangen. Napoleon stand noch
immer mit dem Haupthcere in Dresden und wandte sich von
hier aus bald nach dieser, bald nach jener Seite, ringsumher -
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich August Napoleon Alexander Alexander August Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Dresden Berlin Breslau Berlin Berlin Schlesien Dresden Vaud Kulm Dresden
391
und viele Fenster in Leipzig zersprangen. Der Kampf schwankte
unentschieden; Dörfer wurden genommen und verloren. Am
blutigsten war der Kampf bei den Höhen von Wachau, wo
Napoleon selbst hielt, und bei den vorliegenden Dörfern Gül-
dengossa und Auenhain. Alle Anstrengungen der Verbünde-
ten scheiterten hier an dem Ungestüme der Franzosen und Po-
len. Napoleon selbst sprengte wiederholt mitten im Feuer
aufmunternd an die einzelnen Generale heran, und den neuen
Marschall, Fürsten Poniatowski, welchen er mit seinen Polen,
im heftigsten Gedränge fand, spornte er mit dem Rufe:
„Vorwärts, König von Polen!" Um 3 Uhr Nachmittags
hatten die Franzosen solche Fortschritte gemacht, daß Napo-
leon schon Boten mit der Siegesnachricht nach Leipzig schickte
und alle Glocken läuten ließ. Wie ein Grabgeläute ertönten
sie in die Herzen der bekümmerten Einwohner. Jedoch nah-
men die Oefterreicher und Russen bald ihre alte Stellung wie-
der ein, während Blücher bei Möckern bedeutende Vortheile
über den Marschall Marmont gewann und ihn bis Leipzig
drängte. Am 17. (Sonntag) war meist Waffenruhe, und
Napoleon ließ durch den österreichischen General Merveld,
welcher am Tage zuvor gefangen genommen war, den Ver-
bündeten Waffenstillstand anbieten. Dieser aber wurde abge-
schlagen, und am 18. des Morgens früh erneuerte sich der
schreckliche Kampf. Inzwischen war auch der Kronprinz von
Schweden mit der Nordarmee, und Benningsen mit der Re-
serve zu den Verbündeten gestoßen. Die Blüthe der streitbar-
sten europäischen Völker war auf dem Kampfplatze; alle wett-
eiferten mit einander an Tapferkeit. Während der Schlacht
gingen die Sachsen zu den Verbündeten über. Napoleon mit
all' seiner Kunst und Kühnheit erlag endlich der Begeisterung
und Uebermacht seiner Feinde. Der Abend des ewig denk-
würdigen 18. Oktobers begrüßte die Verbündeten als Sieger.
Napoleon eilte nach Leipzig und ordnete während der Nacht
den Rückzug seines geschlagenen Heeres. Die Flammen von
zehn Dörfern beleuchteten schauerlich das Leichenfeld, auf wel-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Marschall_Marmont Napoleon Merveld Napoleon Napoleon
394
den Rhein, um jetzt den früheren Machtgebieter in seinem ei-
genen Lande heimzusuchen. Vergebens hatten die drei ver-
bündeten Monarchen noch von Frankfurt a. M. aus höchst
günstige Fricdensbedingungen dem Geschlagenen angeboten,
um fernerem Blutvergießen Einhalt zu thun; er aber hatte diese
trotzig zurückgewiesen. „Vor einem Jahre," sprach er finster,
„zog ganz Europa mit uns, jetzt gegen uns; in drei Mona-
ten will ich einen ehrenvollen Frieden erstritten haben, oder
untergehen." Das Letztere ging in Erfüllung. Wohl hatten
die Verbündeten auch in Frankreich noch viele Kampfe zu be-
stehen. Ihre Heere waren wegen Schwierigkeit der Verpfle-
gung zu getrennt, der Anzug gegen Paris zu rasch. Mitten
zwischen seinen Gegnern lauernd stürzte Napoleon bald auf
den einen, bald auf den andern los und drängte ihn zurück.
Blücher siegte zwar bei Brienne, ward aber bei Montmirail
und Montereau umgangen und geschlagen. Im Februar 1814
mußten alle Heere der Verbündeten den Rückzug antreten.
Bald aber zogen sie sich enger zusammen und schritten kräf-
tig wieder vor. Umsonst suchte Napoleon sie bei Laon am
9. und 10. März zum Weichen zu bringen. Da wagte er
einen verzweifelten Versuch. Um die Verbündeten aus der
Nähe von Paris wegzulocken, brach er schnell nach dem Rheine
auf. Dort, in ihrem Rücken, gedachte er durch einen Auf-
stand des Volkes in Masse und in Verbindung mit den Trup-
pen der Festungen, sie gänzlich zu verderben. Aber sein Ver-
such scheiterte. Sie ließen ihn ruhig ziehen und nur durch
ein kleines nachgeschicktes Heer beobachten, während ihr Haupt-
heer rasch auf Paris losging. Am Abende des 29. März
erschien es vor den Thoren von Paris. Hier, besonders auf
den Höhen von Montmartre, hatte es noch einen heißen Kampf
zu bestehen. Endlich ergab sich Paris, und am 31. März
gegen Mittag zogen die hohen Monarchen, der Kaiser von
Rußland und der König von Preußen, in ihrer Mitte Fürst
Schwarzenberg (Kaiser Franz war zu Nanci geblieben), im
glänzenden Gefolge von Prinzen und Generalen an der Spitze
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Fürst
Schwarzenberg Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Frankfurt Europa Frankreich Paris Laon Paris Rheine Paris Paris Paris
400
felde schon wieder in Ordnung auf. Die Schlacht war zwar
für die Preußen verloren, aber so ehrenvoll, daß sie ihren
Kriegesruhm mehr erhöhet als vermindert hat.
Schlacht bei Dcllc-Ftlliancc. — Nach diesem Siege ließ
Napoleon neue Haufen gegen Wellington anrücken, der un-
terdessen bei Waterloo, unweit Brüssel, im heißesten Kampfe
gegen Nep stand. An dem verzweifelten Ungestüme der Fran-
zosen brach sich alle Tapferkeit, und Wellington's Truppen
schmolzen immer mehr zusammen. Der bedrängte Führer
schickte Kuriere auf Kuriere nach Blücher, er möge ihm doch
schleunigst zu Hülfe kommen; er seufzete: „Ich wollte, die
Nacht käme oder die Preußen!" Da plötzlich kamen die Preu-
ßen und warfen sich sogleich auf den siegenden Feind. Blu-
tiger als je ward nun der Kampf. Die Franzosen thaten
Wunder der Tapferkeit; allein ein Haufen nach dem andern
wurde geworfen. Nur die Garde, von Napoleon selbst ge-
führt, hielt noch Stand. Doch vergebens war der letzte ver-
zweifelte Kampf dieser tapferen Schar, sie wurde fast gänz-
lich niedergehauen. Da endlich warf sich das ganze franzö-
sische Heer in grauenvolle Flucht. Auf Blücher's Befehl bot
der General Gneisenau den letzten Hauch von Menschen
und Pferden zur Verfolgung auf. Der Mond schien hell und
begünstigte ungemein die Verfolgung. Der ganze Marsch war
ein stetes Aufstöbern des Feindes aus Dörfern und Getreide-
feldern. Zu Genappe wollte Napoleon ein wenig ausruhen.
Plötzlich erklangen die preußischen Signalhörner wieder, und
die Sieger brachen in die Stadt ein. Es war Nacht, und
unbeschreiblich die Angst, die Verwirrung. Alles floh voll
Entsetzen in wilder Eile durch- und übereinander. Mitten in
diesem Getümmel wäre beinahe der Kaiser selbst gefangen
worden. Nur die Schnelligkeit seines Rosses rettete ihn aus
der nahen Gefahr. Sein Wagen aber, sein Hut, Degen,
Brieftasche und andere Kostbarkeiten wurden die Beute der
nachsetzenden Preußen. Schon am 20. Juni kam der Geschla-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Gneisenau Napoleon
401
gene in Paris an. Gleich nach der Schlacht (18. Juni) tra-
fen Blücher und Wellington bei dem Mairhofe Lello allmiies,
von wo Napoleon den ganzen Tag hindurch die Schlacht ge-
leitet hatte, zusammen. Freudig begrüßten sich hier die sieg-
gekrönten Feldherren, und zum Andenken wurde, auf Blücher's
Antrag, diese Schlacht die Schlacht von Belle Alliance
(schöne Vereinigung) genannt.
Der Sieg bei Belle Alliance entschied über das Schick-
sal Frankreichs und Europas. Von nun an war wenig
Kampfens mehr; nur eiliges Verfolgen, Gefangennehmen und
Beute machen. Bald erschien Blücher im Angesichte der za-
genden Hauptstadt. Als hier die Verwundeten von Water-
loo verstümmelt und blutig auf tausend Karren durch die
Straßen fuhren, riefen sie noch: „Es lebe der Kaiser! Un-
ser Kaiser ist verrathen worden! Waffen! Waffen! noch ein Arm
blieb uns für den Kaiser!" Napoleon selbst hatte gleich bei
seiner Ankunft in Paris darauf angetragen, ihn zum Dicta-
tor zu ernennen. Allein man hatte die Ueberzeugung, daß
zwischen dem Frieden und Frankreich nur ein Mann stehe,
und sprach ihm diese Ueberzeugung unumwunden aus. Sein
Stern war für immer untergegangen. Vergebens versammelte
noch sein Bruder Lucian den Senat und erinnerte ihn an den
großen Ruhm, welchen Napoleon auf die französische Nation
gehäuft, und an die Treue, die sie ihm geschworen habe.
Bei dem Worte „Treue" erhob sich der alte Lafayette und
unterbrach ihn finster mit den Worten: „Treue? — Wir
folgten Ihrem Bruder in Afrikas glühende Sandwüsten wie
in Rußlands starrende Schnee- und Eisfelder; die in allen
Erdtheilen zerstreut liegenden Gebeine der Franzosen geben
Zeugniß von ihrer Treue!" Da entsagte der Kaiser (am 22.
Juni) abermals dem Throne zu Gunsten seines Sohnes, un-
ter der Regentschaft seiner Mutter, und eine Gesandtschaft
wurde in's Lager der Verbündeten geschickt, diese Entsagung
zu überbringen. Allein die Verbündeten erklärten, daß keine
Weiter'» Weltgesch. Iii. lg. Aufl. 26
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Paris Wellington Mairhofe_Lello Frankreichs Europas Water- Paris Frankreich Afrikas
390
alles zerschmetternd, was sich chm nahete. Noch einmal wollte
er einen Angriff auf Berlin versuchen, und ließ Ney*), den
kühnsten seiner Marschälle, dahin aufbrechen; aber die Preu-
ßen unter Bülow und Tauenzien griffen ihn am 6. Septem-
der bei Dennewitz, unweit Jüterbogk, an und brachten
chm eine große Niederlage bei.
Jetzt zogen sich die verbündeten Heere immer enger zu-
sammen und suchten Napoleon in den Rücken zu kommen, um
ihn von Frankreich abzuschneiden. Das merkte er und zog
sich nach Leipzig zurück. Die Verbündeten folgten chm, und
die großen Tage der Entscheidung naheten heran. Der Fürst
von Schwarzenberg erließ jetzt einen Aufruf an das
Bundesheer, mit den Worten: „Die wichtigste Epoche des hei-
ligen Kampfes ist erschienen, wackere Krieger! Die entschei-
dende Stunde schlägt, bereitet Euch zum Streite! Das Band,
welches mächtige Nationen zu einem großen Zwecke vereinigt,
wird auf dem Schlachtfelde enger und fester geknüpft. —
Russen, Preußen, Oesterreicher! Ihr kämpft für eine Sache,
kämpft für die Freiheit Europas, für die Unabhängigkeit Eu-
rer Söhne, für die Unsterblichkeit Eurer Namen. — Alle für
Einen! Jeder für Alle! Mit diesem erhabenen männlichen
Rufe eröffnet den heiligen Kampf, bleibet ihm treu in der
entscheidenden Stunde, und der Sieg ist Euer!"
Völkerschlacht bei Leipzig (1813). — Ein Reitertreffen
bei Libertwolkwitz am 14. Oktober zwischen den Truppen des
Königes von Neapel und einem Theile des Schwarzenberg-
schen Heeres war gleichsam das Vorspiel zu dem großen Trau-
erspiele, welches vier Tage hindurch um und in Leipzig auf-
geführt werden sollte. Am 16. begann der Riesenkampf.
Mehr als 300,000 Mann Verbündete standen gegen 200,000
Mann Franzosen, und seit 8 Uhr des Morgens donnerten
über 1000 Kanonen gegeneinander, so daß die Erde bebte,
°) Dieser war der Sohn eines Böttchers zu Saarlouis.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Schwarzenberg
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Dennewitz Frankreich Leipzig Europas Leipzig Libertwolkwitz Neapel Leipzig
393
Fürsten zum Bunde gegen Frankreich. Das Königreich West-
falen verschwand mit seinem Könige; der preußische General
Bülow befreiete im raschen Siegeszuge Westfalen und Hol-
land; auch aus der Schweiz wurden die Franzosen schnell
vertrieben, und überall erhoben sich begeistert die Völker und
traten freudig in den Kampf ein für ihre Freiheit und Un-
abhängigkeit.
Um dieselbe Zeit war auch die pyrenäische Halbin-
sel frei geworden. Den entrüsteten Portugiesen und Spani-
ern, von den Engländern unter Wellington unterstützt, war
es nach unendlichen Anstrengungen und Aufopferungen gelun-
gen, die Feinde aus ihrem Lande zu vertreiben. Der glor-
reiche Sieg bei Vittoria im nördlichen Spanien, am 21. Juni
1813, endigte hier die Fremdherrschaft, und siegreich rückten
auch von dieser Seite die Verbündeten über die Pyrenäen in
Frankreich ein. — Gleich siegreich durchzog ein österreichisches
Heer Italien und nahm fast alle durch den Schönbrunner
Frieden verlorenen Länder wieder in Besitz. Die kleineren
Reiche, die Napoleon hier im Sonnenglanze seines Glückes
gestiftet hatte, löseten sich wieder auf, das eine früher, das
andere später. Selbst Murat, oder — wie er als König
von Neapel hieß, Joachim I., verließ ebenfalls seinen vom
Glücke verlassenen Schwager und schloß sich, um seinen eige-
nen Thron sich zu erhalten, durch einen besonderen Vertrag
an Oesterreich. Nur der Vicekönig von Italien, Eugen, lei-
stete noch kurzen Widerstand.
Das Jahr 18 14
84. Einnahme von Paris. — Absetzung Napoleones. — Friede
zu Paris. — Eröffnung des Congrcsscs zu Wien.
So glorreich war das unvergeßliche Jahr 1813. Und,
was den Ruhm desselben krönte, noch in den letzten Tagen
desselben überschritten die Verbündeten von Holland bis Basel
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Extrahierte Personennamen: Bülow Vittoria Napoleon Joachim_I. Eugen Eugen
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Westfalen Wellington Spanien Frankreich Italien Neapel Oesterreich Italien Paris Paris Wien Holland
399
Unterdessen waren die verbündeten Mächte schnell dem
Kriegesschauplatze entgegen gerückt. Blücher stand mit ei-
nem preußischen, Wellington mit einem aus Engländern,
Holländern, Braunschweigern und Hannoveranern zusammen-
gesetzten Heere in den Niederlanden. Es schien, als wollten
sie nicht eher angreifen, als bis die ganze Macht aller Ver-
bündeten sich gesammelt habe. Aber Napoleon kam ihnen zu-
vor und ließ seinen mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit
zusammengebrachten Heerhaufen rasch gegen Blücher und Wel-
lington anrücken. Mit der größern Hälfte stürzte er sich selbst
auf die Preußen, die andere unter Nep warf er auf die Trup-
pen Wellingtons.
Schlacht bet Ligny. — Am 16. Juni 1815 griffen die
Franzosen mit Uebermacht die Preußen bei dem Dorfe Ligny
an, und es entspann sich hier ein blutiger, schrecklicher Kampf.
Das Dorf wurde mehrmals genommen und wieder genom-
men; es ward auf beiden Seiten zwischen den flammenden
Hausern mit einer Erbitterung und Wuth gestritten, als ob
jeder Einzelne in seinem Gegner seinen Todfeind gefunden
habe. Allein die Preußen mußten der Uebermacht weichen,
und plötzlich umringten die Kürassiere und Grenadiere der
Garde das Dorf von mehreren Seiten. Da führte der alte
Blücher den nächsten besten Schwarm seiner leichten Reiter
stürmend an den Feind; aber er wurde von den gepanzerten
Reitern mit ihren hohen Nossen geworfen, bald lag der Hel-
dengreis selbst unter seinem getödteten Pferde, und die Scha-
ren der Feinde brauseten, ohne ihn zu bemerken, grimmig
vorüber. Bald aber wurden sie wieder geworfen, noch ein-
mal ging der gefährliche Zug an ihm vorüber, und fast wie
durch ein Wunder wurde er gerettet. Bis tief in die Nacht
schlug das preußische Fußvolk in dichten Haufen unter Hurra-
ruf und Feldmusik die zahlreichen Massen der nachdrängen-
den feindlichen Reiterei mit dem Bajonnete und durch Ge-
wehrfeuer zurück und stellte sich einige Stunden vom Schlacht-
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369
geliefert, und beide preußische Heere völlig besiegt und zer-
sprengt. Ueber 50,000 Mann verlor der König an diesem
einen Unglückstage.
Konnte auch Preußens Besiegung bei der großen Ueber-
macht seines Gegners nicht unerwartet sein, so überraschte
doch der plötzliche und tiefe Fall dieser Macht selbst den Sie-
ger. Entsetzen kam über alle noch übrigen Führer und Scha-
ren. Beispiellos war die Verwirrung, die Auflösung. Ganze
Haufen streckten bestürzt das Gewehr. Der Prinz Hohenlohe
wurde auf der Flucht eingeholt, umzingelt und mit 17,000
Mann gefangen. Auch der tapfere General Blücher erlag
endlich der Uebermacht und dem bösen Verhängnisse. Mit
einem zusammengerafften Haufen von 10,000 Mann wandte
er sich, von drei feindlichen Heerhaufen hitzäg verfolgt, in eben
so kühnen als geschickten Märschen nach der Niederelbe, warf
sich dann in Lübeck und ergab sich erst, als die Stadt nach
schrecklichen Stürmen erobert war, und ein Theil derselben in
lichterloher Flamme stand. Schon am 24. Oktober rückte Da-
vouft in Berlin ein; drei Tage später hielt der Kaiser selbst
an der Spitze der Garden seinen Einzug in die trauernde
Hauptstadt. In unerhörter Eile ergaben sich die Festungen^
und wenige Befehlshaber derselben hielten sich so standhaft,
wie Courbiere in Graudenz (Westpreußen), der, als ihn die
Feinde mit den höhnenden Worten zur Uebergabe aufforder-
tcn: „es gebe ja keinen König von Preußen mehr!" herzhaft
erwiederte: „Nun gut, so bin ich König von Graudenz und
werde mich zu vertheidigen wissen."
Schon am dritten Tage nach der Schlacht trennte sich
der Kurfürst von Sachsen von seinem Unglücksgefährten; er
trat zum Rheinbünde über und ward nun von Napoleon mit
der Königswürde beschenkt. Traurig aber war das Schicksal
des Herzoges von Braunschweig, des Anführers bei Auerstädt.
Schwer verwundet floh er nach seiner Residenz und stellte von
hier aus Napoleon vor, daß er nicht als Landesherr, sondern
Weiter'« Weltgesch. Hl. 16. «ufl. 24
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Extrahierte Personennamen: Hohenlohe Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Sachsen Rheinbünde Braunschweig
314
als sie die furchtbaren Heerscharen des so geschwächten Ostreichs
erblickte. Der Erzherzog Karl führte den Oberbefehl über das
Hauptheer und drang siegreich in Baiern ein. Napoleon, über-
rascht durch den Angriff Ostreichs, eilte schnell mit frischen Trup-
pen aus Spanien herbei und siel mit Sturmesgewalt über das
siegreich heranschreitende Heer. Fünf Tage hinter einander wurde
blutig gestritten; am entscheidensten bei Eckmühl am 22. April
1809, wo die Ostrcicher eine völlige Niederlage erlitten. Ohne
Zögern eilte der furchtbare Sieger nach der Hauptstadt selbst und
kündete schon zum voraus seinen Einzug an, mit den stolzen Wor-
ten: „Das östreichische Heer ist vom Donner des Himmels ge-
troffen worden, welcher stets den Undankbaren, den Ungerechten^
den Treulosen bestraft. Wenige Überbleibsel dieses Heeres werden
über den Inn zurückkehren. Ehe ein Monat vergeht, sind wir
in Wien!" Und wirklich zog er einen Monat nach dem Anfänge
des Krieges, am 13. Mai, in Wien ein. Sogleich erließ er ei-
nen Aufruf an die Ungarn, wie früher an die Polen, sich loszu-
reißen von dem östreichischen Kaiser und auf einem Reichstage
einen neuen König zu wählen. Aber zu seiner Beschämung ver-
warf diese hochherzige Nation den unedelen Antrag und rüstete
sich kräftig für Ostreich. Kurz nach den Franzosen war auf dem
andern Ufer der Donau auch Karl vor Wien angekommen. Na-
poleon setzte deshalb über den Strom und lieferte ihm bei Aspern,
Wien gegenüber, eine zweitägige blutige Schlacht, am 21. und
22. Mai. Hier erlitt Napoleon zum ersten Male eine große
Niederlage. Der tapfere Marschall Lannes, Herzog von Mon-
tebello, fand seinen Tod; die Marschalle Massena und Bessie-
res nebst einer großen Menge Generale waren schwer verwundet.
Schrecken fuhr durch das ganze Heer. Nicht ohne Gefahr zog
sich der Geschlagene über die Donau zurück. Nachdem er sich,
von neuem gerüstet und seine Streitmassen zusammengezogen hatte,
ging er kühn denselben Weg wieder über den Strom und erneuerte
am 5. und 6. Juli den Angriff bei Deutsch-Wagram,
nicht weit von Aspern. Nach der heldenmüthigsten Gegenwehr
wurden endlich die Ostrcicher am zweiten Tage geschlagen. Diese
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Napoleon Karl Karl Napoleon Marschall_Lannes
Extrahierte Ortsnamen: Baiern Spanien Wien Wien Ungarn Polen Donau Wien Aspern Wien Massena Donau Aspern